Im Februar dieses Jahres hat nun die EU ebenfalls ein Lieferkettengesetz als Entwurf vorgelegt. Dieses Gesetz geht in zwei Richtungen erheblich weiter als das deutsche: Erstens soll es schon für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten. In den als „Risikobranchen“ bezeichneten Bereichen Textil, Landwirtschaft und Bergbau greift es schon ab 250 Mitarbeitern. Zweitens muss nun die gesamte Lieferkette nachvollzogen werden, also auch sämtliche Vorlieferanten der Lieferanten. Die Folge: Wenn das EU-Gesetz so beschlossen wird, zwingt es Deutschland, sein Lieferkettengesetzes zu verschärfen.
Das Sahnehäubchen findet sich wie so oft im Kleingedruckten: Im bestehenden deutschen Lieferkettengesetz sind nicht nur diejenigen Waren Teil der Lieferkette, die ein Unternehmen zur Herstellung seiner Produkte oder zur Erbringung seiner Dienstleistungen erbringt. Das Gesetz gilt auch für Waren, „die ein Unternehmen bezieht, um seinen Fortbestand zu sichern“, also Waren, die „nicht ins Endprodukt einfließen“. Unmißverständlich erläutert das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf seiner Homepage, dass damit auch Büromaterial, Limonade und Softwaresysteme gemeint sind (Quelle: BAFA, Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz, VIII.4.)
Unternehmen werden zum Erfüllungsgehilfen für politischen Ziele gemacht
Trotz gegenteiliger „politischer Verkaufsargumente“, ist das für Deutschland im letzten Jahr beschlossene Lieferkettengesetz alles andere als ein schlankes Gesetz. In einer „Risikoanalyse“ müssen nämlich alle „etablierten“ Lieferanten befragt und geprüft werden. Zudem sind innerbetriebliche „Präventionsmaßnahmen“ zu erarbeiten und zu verankern. Werden Rechtsverstöße in der Lieferkette entdeckt, muss ein „System zur Abhilfe“ in Gang gesetzt. Sämtliche Schritte sind – wie kann es anders sein – zu dokumentieren und regelmäßig an das BAFA zu berichten. Dem Bundesamt wiederum wird die neue Aufgabe zugewiesen, die Einhaltung der Berichtspflicht zu überwachen, Kontrollen durchzuführen und Bußgelder zu verhängen. Einen speziellen „Lieferkettenbeauftragten“ werden die Unternehmen sicher auch noch zu benennen haben.
Wie so oft steckt auch hinter diesem gesetzlichen Exzess ursprünglich ein hehres Ziel. Die Politik will, dass weltweit Kinderarbeit geächtet, Zwangsarbeit beendet, angemessener Lohn bezahlt und Umweltbelange berücksichtigt werden. Unbestreitbar sind dies große gesellschaftliche Ziele und die Welt wäre eine bessere, wären sie weltweiter Standard. Weil aber die internationale Politik bisher wirkungslos geblieben ist, sollen es nun die Unternehmen richten. Mit dem Lieferkettengesetz macht sie die Politik zum Erfüllungsgehilfen gesellschaftlicher Ziele.