Lieferkettengesetz

Wirtschaft
Die Entwarnung kam zu früh! Wer geglaubt hat, mit dem im Jahr 2021 beschlossenen deutschen Lieferkettengesetz sei die „dickste Kuh vom Eis“, hatte die EU nicht auf dem Radar. Jetzt kommt das Thema wieder in den Blick, und zwar als Bürokratiemonster der Sonderklasse.
Im Februar dieses Jahres hat nun die EU ebenfalls ein Lieferkettengesetz als Entwurf vorgelegt. Dieses Gesetz geht in zwei Richtungen erheblich weiter als das deutsche: Erstens soll es schon für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten. In den als „Risikobranchen“ bezeichneten Bereichen Textil, Landwirtschaft und Bergbau greift es schon ab 250 Mitarbeitern. Zweitens muss nun die gesamte Lieferkette nachvollzogen werden, also auch sämtliche Vorlieferanten der Lieferanten. Die Folge: Wenn das EU-Gesetz so beschlossen wird, zwingt es Deutschland, sein Lieferkettengesetzes zu verschärfen.
Das Sahnehäubchen findet sich wie so oft im Kleingedruckten: Im bestehenden deutschen Lieferkettengesetz sind nicht nur diejenigen Waren Teil der Lieferkette, die ein Unternehmen zur Herstellung seiner Produkte oder zur Erbringung seiner Dienstleistungen erbringt. Das Gesetz gilt auch für Waren, „die ein Unternehmen bezieht, um seinen Fortbestand zu sichern“, also Waren, die „nicht ins Endprodukt einfließen“. Unmißverständlich erläutert das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf seiner Homepage, dass damit auch Büromaterial, Limonade und Softwaresysteme gemeint sind (Quelle: BAFA, Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz, VIII.4.)
Wozu dieses wirtschaftsschädigende Bürokratiemonster in der Praxis wird, lässt sich unschwer ausmalen. Die Kombination deutscher und europäischer Schraubzwingen wird sogar den kleinen Bäcker dazu nötigen, jede Rosine nachzuverfolgen, will er weiterhin die Schneckennudeln an ein Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern liefern.

Unternehmen werden zum Erfüllungsgehilfen für politischen Ziele gemacht

Trotz gegenteiliger „politischer Verkaufsargumente“, ist das für Deutschland im letzten Jahr beschlossene Lieferkettengesetz alles andere als ein schlankes Gesetz. In einer „Risikoanalyse“ müssen nämlich alle „etablierten“ Lieferanten befragt und geprüft werden. Zudem sind innerbetriebliche „Präventionsmaßnahmen“ zu erarbeiten und zu verankern. Werden Rechtsverstöße in der Lieferkette entdeckt, muss ein „System zur Abhilfe“ in Gang gesetzt. Sämtliche Schritte sind – wie kann es anders sein – zu dokumentieren und regelmäßig an das BAFA zu berichten. Dem Bundesamt wiederum wird die neue Aufgabe zugewiesen, die Einhaltung der Berichtspflicht zu überwachen, Kontrollen durchzuführen und Bußgelder zu verhängen. Einen speziellen „Lieferkettenbeauftragten“ werden die Unternehmen sicher auch noch zu benennen haben.

 

Wie so oft steckt auch hinter diesem gesetzlichen Exzess ursprünglich ein hehres Ziel. Die Politik will, dass weltweit Kinderarbeit geächtet, Zwangsarbeit beendet, angemessener Lohn bezahlt und Umweltbelange berücksichtigt werden. Unbestreitbar sind dies große gesellschaftliche Ziele und die Welt wäre eine bessere, wären sie weltweiter Standard. Weil aber die internationale Politik bisher wirkungslos geblieben ist, sollen es nun die Unternehmen richten. Mit dem Lieferkettengesetz macht sie die Politik zum Erfüllungsgehilfen gesellschaftlicher Ziele.

 

 

Mir ist kein Unternehmen bekannt, das sich dabei aus der Verantwortung stehlen will. Aber was nun droht, ist nichts weniger als eine neue Überregulierung mit nicht absehbaren Wettbewerbsnachteilen, Auflagen, Dokumentationen, Berichten, Kontrollen und Kosten. Wenn wir diesen Zug nicht stoppen, galoppiert der Bürokratismus in eine neue Dimension.

 

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