Anders in Brandenburg: Etwa zeitgleich, Ende 2019, gab der Elektroautopionier Tesla die Entscheidung bekannt, in Grünheide eine Gigafactory mit 12.000 Arbeitskräften zu errichten. Neben Shanghai soll Grünheide die zweite internationale Produktionsstätte werden und den gesamten europäischen Markt versorgen. Das Besondere: Tesla baute mit zahlreichen vorläufigen Teilgenehmigungen, eine abschließende Genehmigung steht lange aus. Nur 3 Jahre später wurde Mitte 2022 wurden in Grünheide die ersten Fahrzeuge produziert. Das Unternehmen ging ein extremes Risiko ein. Notgedrungen.
Allein gegen den nachgeschobenen Bauantrag für die Batteriezellenproduktion hagelte es weitere 800 Einsprüche. Bereits davor hatte Tesla immer wieder Baupläne angepasst, weil Umweltverbände Bedenken und Einwände vorgetragen hatten. Aus diesem Grund musste das amtliche Genehmigungsverfahren immer wieder neu und von vorne gestartet werden.
Je komplexer das Vorhaben, desto mehr Behörden seien beteiligt, führt Tesla aus. Dabei sei allerdings nicht die Anzahl der Behörden das eigentliche Problem, sondern dass „das gesamte Verfahren oft so langsam wie die langsamste Behörde“ ist. Zur Verfahrensbeschleunigung sollte ein „Projektmanager“ mit rechtlich definierten Befugnissen entscheiden können, „welcher Input von welcher Behörde für die Genehmigung (…) innerhalb welcher verbindlichen Fristen beizubringen“ sei.
Eine zweite Möglichkeit zur Verbesserung der Genehmigungsprozesse bestehe darin, Änderungsanträge zu erleichtern. Man könne keinen Antrag auf Änderung der Anlage stellen, bevor die endgültige Genehmigung erteilt worden sei, es sei denn, man nehme dadurch erhebliche Verzögerungen in Kauf, erläutert Tesla. Selbst Änderungen „zum Besseren“ führten zu „Lähmungen, Unsicherheiten und Verzögerungen“. Die Folge: Projektträger würden umweltverbessernde Änderungen erst gar nicht beantragen.
„Auch Jahrzehnte nach dem Eintritt in das digitale Zeitalter erfolgt der Großteil des Dokumentenaustauschs zwischen Antragsteller und Behörden noch immer in Papierform“, kritisiert Tesla die dadurch verursachte Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Außerdem habe das Unternehmen in Grünheide einen langen „Trial-and-Error“-Prozess durchlaufen müssen, um eine vollständige Liste aller einzureichenden Unterlagen und Dokumentationen zu erlangen.
Einen weiteren Fokus legt der US-amerikanische Autobauer auf die Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland. So wichtig der Dialog zwischen Behörden, Öffentlichkeit und Projektträger für die Qualität und Akzeptanzschaffung sei, so habe man auch feststellen müssen, dass die aktuellen Bestimmungen „zum Missbrauch einladen“. Auf Verlangen müsste zum Beispiel von Anhörungen ein schriftliches Wort-für-Wort Protokoll verfasst werden, das in Grünheide fast 1.250 Seiten umfasst und dessen Erstellung Monate gedauert habe. Statt auf die wörtliche Wiedergabe der Anhörung warten zu müssen, sollten die beteiligten Behörden bereits weiterarbeiten können, sobald ihnen die Zusammenfassung der Entscheidung vorliegt.
„Mit dem bestehenden Genehmigungsverfahren kann Deutschland die Klimaziele praktisch unmöglich erreichen“, resümiert Tesla. Dem ist nur hinzuzufügen, dass unsere derzeitigen Genehmigungsverfahren nicht nur die Energiewende, sondern auch beispielsweise den Transformationsprozess der Wirtschaft sowie die dringend anstehende Digitalisierung unserer Gesellschaft erheblich behindern. Handlungsbedarf gibt es also auf allen Ebenen.